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TXL

Irina Rastorgueva

Als Tempelhof und Gatow an die Grenzen ihrer Kapazität stießen, wurde der Bau eines dritten Flughafens unabdingbar. Die Franzosen stellen dafür in ihrem Sektor ein Areal zur Verfügung, das von Rudolf Nebel 1930 als Raketenversuchsgelände eingeweiht worden war. Der Vorteil bestand darin, sassan beiden Enden der geplanten Start- und Landebahn keine Gebäude standen. So entstand der Berliner Flughafen Tegel.

 

Kaugummi und Schokolade: die Erinnerungen des Berliner Candy Bombers
von Gail S. Halvorsen

1948

Während der sowjetischen Blockade reichen die Kapazitäten der Flughäfen Tempelhof und Gatow nicht aus, um West-Berlin über die Luftbrücke zu versorgen. In der Jungfernheide beginnt der Bau des neuen Flughafens Tegel. Die mit zunächst 2428 Metern damals längste Start- und Landebahn Europas wird nach nur 92 Tagen in Betrieb genommen.

 

Der Tagesspiegel

Chronik

www.berlin-airport.de

Am 02. Januar 1960, landete erstmals eine zivile Air-France-Maschine auf dem Flughafen Berlin-Tegel. Am 24. Februar 1960 folgte der erste offizielle Linienflug der Caravelle zwischen Paris, Frankfurt und Berlin.

 

Aerosieger.de
Das Luftfahrt-MAGAZIN

1975

1985

Nach Inkrafttreten des Transitabkommens von 1972 mit den damit verbundenen Reiseerleichterungen auf den Landwegen reduzierte sich das Fluggastaufkommen um ca. 25 % und ermöglicht die Konzentration des gesamten zivilen Flugverkehrs nach Berlin TXL. Zwischen 1975 und 1985 wurde dieser ausschließlich über Tegel abgewickelt. Der Flughafen Berlin-Tegel blieb jedoch ein Militärstützpunkt der französischen Luftwaffe, den die französische Militärregierung weitgehend für den Zivilverkehr zur Verfügung stellte.

 

Nachnutzung Flughafen Tegel
Grundlagenermittlung

Senatsverwaltung für Stadtentwicklung

Flächennutzungsplan von Berlin in der Fassung der Neubekanntmachung vom 8. Januar 2004

Nach dem Fall der Mauer im Jahr 1989 begannen die Planungen für einen neuen Großflughafen Berlin Brandenburg, Tegel sollte deshalb nicht mehr ausgebaut werden. Der stark steigende Flugverkehr sowie der sich verzögernde Bau eines Großflughafens erforderten dann aber doch noch eine Erweiterung. So wurde die „Nebelhalle“ (benannt nach dem Raketenkonstrukteur Rudolf Nebel) durch die Stationierung von Check-in-Schaltern zum Terminal B ausgebaut, südlich des Terminals A kam eine Erweiterung hinzu, die heute Terminal D und E beherbergt.

 

Wikipedia

Flughafen Berlin-Tegel

Sechseck, Glocke, Sanduhr, Schleuse, Zentrifuge

Tegel wird für immer mein erstes Einflugstor nach Deutschland sein. Es war meine erste Reise nach Berlin, meine erste Reise nach Europa überhaupt. Ich erinnere mich kaum an den Tag der Abreise, ebenso wenig wie an die Tage oder gar Wochen davor. Ich habe von morgens bis abends etwas unternommen, irgendwas, mit meinen Kindern, es sind drei, kaum geschlafen … Ich musste mich mit einem Mann treffen, den ich nur einmal zuvor in Moskau gesehen hatte. Ein Mann, über den ich so viel von einer Freundin gehört hatte, und der mich nun nach Berlin gerufen hatte und mit dem ich seit mehreren Monaten lang jeden Tag korrespondierte.

Ich treff dich in Tegel. Wirst du da warten auf mich? Er hatte Ja gesagt.

Tegel, eine Windmühle, die Menschen aus Flugzeugen mahlt. Der wie Glockengeläut klingende Name – „Tegel“ – bedeutete mir damals noch nichts, es war nur ein Punkt, an dem sich zwei ehemals parallele Linien kreuzen sollten.

Das erste war eine stickige Welle der Fremdsprache, sie kratzte, schrammte, glänzte, schimmerte in Dutzenden übereinanderherfallender Intonationen und war mir völlig fremd. Die Welle fror zu einer Mauer, die mich nicht in das Geheimnis ihrer Bedeutung dringen ließ, kein bißchen. Der Warteraum war stickig und klein, und die Sprache füllte ihn vom Boden bis zur Decke. Ich bekam keine Luft, der Schweiß brach mir aus.

Der Menge vor der Abfertigung gehorchend, bewegte ich mich auf den schmalen Schlitz des Kontrollpunktes zu, wo wir wie in eine Sanduhr gepresst standen und auf den Moment warten, an dem wir endlich durchrieseln sollten – ein Mensch pro Minute oder alle zwei. Und draußen, hinter den Mauern aus Plaste und Glas und rieselnden Menschlein, wartete mein vis-à-vis auf mich. Das Sandkorn-Ich fiel endlich selbst aus der Menge heraus, hinein in diese Stadt, in der mir niemand näher war als er. Wir sprachen Englisch miteinander.

Und Tegel, das so viel diskutierte Tegel, das in meinem Kopf mit seiner zierlichen wohlklingenden Glocke läutete, fiel plötzlich zu einem gewundenen, ziemlich engen, zugleich gedrungenen und nicht allzu gemütlichem Gebäude zusammen, auf dem Taxis wie Krähennester in den Bäumen eines betonierten Hexagon hockten, und aus dem die deutsche Sprache, die mir ähnlich wie Japanisch schien, immer noch wie Sand unaufhörlich auf mich einrieselte, in die Ohren, durch die Kehle, in die Lungen und mein Hirn fraß.

Bei allen An- und Abreisen, die ich später unternahm, war Tegel selbst nie nur ein Flughafen, ein Gebäude an sich – es war und blieb die Atmosphäre: Abschied oder Begegnung, gepunktete und durchgehende Linien, Einheit, Zwietracht, Eile und Warten, das Kaleidoskop bunter Outfits im Sommer und schwarz-grau-brauner im Winter. Tegel hat nie eine sichtbare, mir nie seine besondere Form offenbart, weil es bei dem, was üblicherweise auf einem Flughafen stattfindet, ja auch keine Rolle spielt. Abschied und Begegnung haben keine Form, wir wollen, müssen da nur durch, wie durch einen Spiegel durch. Jeder Flughafen ist die Schleuse und die Zentrifuge, durch die wir müssen, wenn wir Her- und Zukunft tauschen wollen.

Für mich wurde dieser Flughafen, mit der gar nicht nach Glocke klingenden handelsüblich codierten Abkürzung TXL, erst während der Epidemie Teil einer Architektur. Er war, abgesehen, von dem Ausflug, den wir als innerstädtische Touristen ohne Flugabsicht dorthin unternahmen, einfach kein Ziel mehr und erst keine Transitstation. Es gab ja nichts zu fliegen: kein Wohin und kein Womit. Er stand fast nackt, ohne Menschenmassen, und zeigte die Rippen seiner unvermittelt überschaubar gewordenen Strukturen. Abgeräumt, sauber, beinahe steril. Ohne die üblichen hin- und herhastenden Trolleys, Koffer und Autos war es zu einem Landschaftsdenkmal der Pandemie geworden. Die ganze architektonische Kraft dieses Komplexes, der entworfen war, um mit Menschen bestückt und von ihnen durchspült zu werden, unterstrich in seiner Nacktheit nur die Verlassenheit und die Gefahr. Dieser Flughafen schien nun deutlich nicht mehr zu warten, die Hoffnung war aufgegeben wie ein Koffer beim Check-in, und der Koffer längst abgehoben mit seinem Flugzeug nach irgendwo und ohne Passagier.