Wir rannten durch das ausgefahrene Trümmerfeld des Alltags in den Jahren, Jahrzehnten noch nach den Kriegen, noch liefen Filme in schwarzundweiß auf der Leinwand, wir auch, liefen schwarzweiß in schwarzweißen Klamotten über schwarzweiße Straßen durch das Leben schwarzweiß, landeten am Bahnhof an, meistbietende Umschlagstelle der Realitäten, die offiziell zu haben waren, die sich, unerwachsen wie wir waren, verstörend und widersprechend entfalteten vor uns, durchstreiften die Stadt, gingen ins Kino, nochmal ins Kino, landeten wieder am Bahnhof an, von wieder anderen Lichtspielen gelockt, die aus den S-Bahn-Brückenbögen strahlten, strandeten, wo die 24-Stunden-Kinos (in Leipzig eins, eins in Berlin) für 1 Mark Eintritt bis zu 10 Filme garantierten, 15 Minuten DER AUGENZEUGE – Sie sehen selbst, Sie hören selbst, urteilen Sie selbst! – pro Film dazwischen zwangswillig, ohne den gabs nichts, ohne den ging nichts, den Rest dann dafür rund um die Uhr, Tag, Nacht für die Mark, nur wußten wir nicht, in welchen Film wir kamen, aus welchem entlassen, wenn die Kontrolldame kam oder man selbst nicht mehr konnte, und sich entließ in eine Wirklichkeit, die anders schien jedesmal nach dem Kino, aber auch das war Teil der unausgesprochenen Verabredung, die man mit sich beziehungsweise dem Leben hatte: Ich gehe ins Kino = ich verlasse die Realität, die ihr Wirklichkeit nennt, und begebe mich in die Überrealität der Fiktion, also der Kunst, und wenn es am Bahnhof ist in einem stinkenden Loch aus Schatten und Licht, ihr könnt mich, denn da ist es BUNT.