Zum Inhalt springen

Tag 101a

(addendum)

08.06.1931 //

Frankreich. Benjamin und Brecht philosophieren am Strand von Le Lavandou/ Côte d’Azur, vermutlich liegend oder komfortabel sitzend, in Korbstühlen vielleicht, Zigaretten und Zigarren, über das Wohnen und seine Formen.

Zwei bald Exilierte, von ihrem Herkunftsstaat – dann Deutsches Reich – Expropriierte, die bald allen Anlass haben werden, von einem Außen, das weiter außerhalb kaum sein kann, über Wohnformen nicht nur zu denken, sondern: sie zu suchen.

Die von Benjamin im Tagebuch überlieferten Ideen hat Brecht handschriftlich notiert, das Blatt (Signatur BBA 448/133-134) liegt lichtgeschützt in den Klimakellern der Archive.

Erdmut Wizisla, der den Archiven, beiden, Brechts und Benjamins, vorsteht, spricht vom „Katalog der Wohnarten, der wie ein gestisch-theatralisches Modell funktioniere; hier können Eigenschaften und Haltungen von Menschen nach ihrer psychologischen und gesellschaftlichen Abkunft und auf ihre kommunikativen Folgen hin studiert werden.“*

zweierlei vorstellungen von wohnen seien gegeben:

1) das mitahmende wohnen, das die umgebung veranlaßt mit dem wohnenden »gestalten« zu bilden

<schauspieler, spielgewohnheiten>

I. feld

2) das gastwohnen, für den stuhl wird keine verantwortung übernommen; er »dient« zum sitzen, er verschmilzt nicht, er läd[t] ein + läd[t] aus.

beide vorstellungen sind gewöhnlich in einem individuum vereinigt.

zwei andere vereinigte vorstellungen:

3) die art des wohnens, die dem wohnenden das maximum [von gewohnheiten mitgibt].

II. feld

4) die art [des wohnens, die dem wohnenden das] minimum von gewohnheiten mitgibt.

abgrenzung der 2 felder: (reinigung)

1) kein akzuentiertes besitzverhältnis

3) [akzentuiertes besitzverhältnis] (schwebt den vermieterinnen möblierter zimmer vor).

2) gastwohnen: die diätetik der kurzen gewohnheiten

4) das hausen (der vandalen) das zerstörende wohnen.

das aufwohnen

*for native American speakers, such as our friend in Mountain View, translated by Ben W. Knight:

Bertolt Brecht, with Walter Benjamin, writing a schema for habitation

(June 8, 1931)

1st field

two different concepts of habitation

are offered :

1) the sympathetic habitation,

that allows the environment to be

“shaped” by the inhabitant

2) inhabiting as a guest, taking

no responsibility for the chair ;

it “serves” for sitting, it does not

meld into, it invites + disinvites

both concepts are typically unified

in an individual.

2nd field

two other “unified” concepts :

3) the way of inhabiting that gives the

inhabitant the maximum of habits /

enforced habits

4) the way of inhabiting that gives the

inhabitant the minimum of habits.

distinction between the 2 fields :

(cleansing )

1) no accentuated property relationship

3) no accentuated property relationship. (the tenants imagine furnished rooms).

2) inhabiting as a guest : the dietetics

of temporary habits

4) the housing of vandals ; destructive

inhabiting. to inhabit on.

Schlagwörter: