Konjunktiv III
Es gibt eine Faszination an jener Eleganz, die sich im Unvollkommenen entfaltet, den Charme des Fehlerhaften. Zum Beispiel in der Sprache zwischen zweien. Es kann ein Lispeln sein, ein seltsamer Akzent, der Ansatz eines Stotterns, ein unterdrückter Dialekt, die noch nicht erlangte Sprache der Fremde. Und sie klingt fremd.
Fremd, wenn der Prozess der Migration in die Familie dringt. Wenn der nächste Mensch, mit dem du jahrelang geredet hast in einer dritten Sprache (sagen wir Englisch) nun deine eigene (sagen wir Deutsch) annimmt. Anfangs fehlerhaft, dann flüssiger und schneller, immer besser. Sie spricht mit ihrer immer noch derselben Stimme und klingt doch anders. Fremd.
Der geliebte Mensch, der mich neuerdings in meiner Sprache anspricht, ist der alte und zugleich ein neuer Mensch. Aus der Mimesis ist das Originäre geworden. „Kommentar und Übersetzung verhalten sich zum Text wie Stil und Mimesis zur Natur: dasselbe Phänomen unter verschiedenen Betrachtungsweisen.“ Sie redet gleich und doch anders mit mir.
Der Text, den Benjamin in der EINBAHNSTRASSE unter dem Titel „Diese Anpflanzungen sind dem Schutze des Publikums empfohlen“ anspricht, und den er, ironisch oder nicht, den „heiligen“, nennt, ist er verfertigte, überlieferte Text. Der dagegen täglich gesprochene Text, der Dialog, in dem wir uns begegnen, hat zwar seinen Stil, ist ansonsten aber pure Mimesis, Kommunikation. Eine andere, virulente Art der Überlieferung, gesprochene Vertrauen.
Vertrauen, Liebe, in der eigenen, der Geliebten immer noch fremden Sprache, ist dasselbe Phänomen, nur betrachtet man es anders, selber fremd.
Benjamin zeigt auf die kleinen „Fehler“ der Geliebten. Die Anziehungskraft der „Ticks und Schwächen“, die „dauernder und unerbittlicher als alle Schönheit binden“, rührt aus der Empathie des Empfängers (ich) mit der Unbeholfenheit des Senders (ihr).
Zur Rezeptur des in den Synapsen (des Liebenden) wirkenden Elixiers gehören noch Bewunderung für den Umgang mit der „Schwäche“, wie auch der Neid gegenüber der Unvoreingenommenheit derjenigen, die spricht. Schließlich kommt vorweggenommene Wehmut, dass es bald nicht mehr so sein wird, noch dazu.
Denn plötzlich sind die kleinen Fehler fort, die Unbedarftheit des Beginnens. Was wird nun dauernder und unerbittlich binden?