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Tag 69

Höfe (1)

Benjamin, Walter; Greifswalder Straße 44, 10405 Berlin; vorübergehend

„Straßen sind die Wohnung des Kollektivs. Das Kollektiv ist ein ewig unruhiges, ewig bewegtes Wesen, das zwischen Häuserwänden soviel erlebt, erfährt, erkennt und ersinnt wie Individuen im Schutze ihrer vier Wände. [Schwarzbild … Schatten … Durchfahrt … Schritte …] Wo am Gitter Asphaltarbeiter den Rock hängen haben, da ist das Vestibül und die Torfahrt, die aus der Flucht der Höfe ins Freie leitet, der lange Korridor, der den Bürger schreckt, ihnen der Zugang in die Kammern der Stadt.“

(Passagen-Werk, Aufzeichnungen und Materialien, Paris, ca. 1935)

Höfe (2)

In seinem Hörmodell zum 18. Jahrhundert (Titel: „Was die Deutschen lasen, während ihre Klassiker schrieben“) lässt Benjamin den Schweizer Buchhändler Heinzmann zum Schauspieler Iffland sagen: „Wir fühlen, wie die unzähligen kleinen Höfe euch Deutsche um eure Selbständigkeit betrogen haben.“

Die Kleinstaaterei im Spiegel der Höfe, die der Weltkrieg und der Furor der Moderne rasiert haben. Die Höfe sind futsch, wo sie nicht im Kleinstadtboulevard wieder aufgestanden sind; der Föderalismus manifestiert sich in der epidemiologischen Krise als ausgewachsene epistemologische Krise.

Höfe sind Vorhöfe zur Sackgasse, Rückkehr ausgeschlossen, ohne Umweg durch die Hölle nicht zu haben.

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