Spuren im Schnee/Geschichte treten/Stadtmuseum/
Kein außergewöhnliches Phänomen eigentlich, wenn es nicht so selten wäre. Erst die kurzen mit Schnee gefüllten Intervalle zeigen uns unsere Spuren, ihre sich gleichenden, ihre sich ändernden Muster, planlos wie anscheinend zielführend angelegte, bevor sie nach Tagen im Schmelzwasser verschwinden. Das Schneeweiß auf dem nassen Straßenschwarz komplementiert die zunehmenden Zeichen, die den Verkehr zu regulieren auf den Asphalt gebrannt sind: Linien, Pfeile, Schraffuren, schmale Quader längs der grün und rot gehaltenen Fahrradwege, gelb für hippe Pop-up-Spuren (von denen 1 Meter in Berlin 10 Euro kosten soll, das klingt günstig). Die Musterung nimmt zu.
Und ist es nicht so, dass die Leute mit dem täglichen Gang über Trottoir und Straßen, ausgetretene Wege, mit jedem Schritt Geschichte schreiben, wieder- wie auch widerschreiben? So wie der Schnee in unterschiedlicher Gegend und Witterung unterschiedlich fällt, treten die Menschen unterschiedlich ihre Wege aus, wie sonst? Das könnte, in Metropolen zwischen Tokio und Paris, zwischen Montreal und Santiago de Chile, eine Untersuchung wert sein.
Vom Fenster aus gesehen ist die Musterung Textur. Ein von Füßen formulierter, immerfort von der Tafel gewischter, fortwährend überschriebener Text, der Geschichte bedeutet; in der permanenten Wiederholung, die nur in Katastrophen aussetzt oder ins Stottern gerät, schreiben sie eine nonverbale Geschichte von Stadt. Im Moment des Hinsehens entsteht sie.