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Tag 49

Berlin auf die Füße gesehen/

 

Wir sprachen davon, dass Berlin von oben wie ein Schachbrett von unten aussähe, eins dieser alten mit grauem oder grünem Filz bezogenen. Wenn wir vom Boden, von der Unterseite sprechen, vom Asphalt, der Bepflasterung, den Bürgersteigen, den Hängebauchschweinen und anderen Berlingrundlagen, können wir von denen, die drauf sitzen, nicht schweigen. In Berlin sind es angeblich etwa 1.100, die da leben, da draußen.


Was wir nicht sehen, wenn wir es sehen, ist zum Beispiel der Boden unter unseren Sohlen, der für manche Tischtuch und Zudecke zugleich ist.
Nach einem Spaziergang durch den Jardin du Luxembourg im November 1970 schreibt Cioran ins Tagebuch: „Nicht aufs Maul – ich habe den Leuten immer auf die Füße gesehen.“ Statt mit Luther dem Volk aufs Maul zu schauen, sieht Cioran nach unten, sieht von den Menschen nur Schritte, in alle Richtungen sich entfernende Schritte, „ein wirrer Tanz, bei dem zu verweilen müßig wäre.“ Man kann es so sehen, das große Sichvoneinanderentfernen führt zu Schieflagen wie denen auf der Straße.

 

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