»Diesem Land wird nichts Gutes widerfahren, solange die Behörden nicht ausgetauscht werden – aber von wem? –, solange wir nicht unsere eigene Produktion aufbauen – aber wie? –, solange wir nicht ein qualitativ hochwertiges Bildungs- und Gesundheitssystem aufbauen – aber mit wem? –, solange wir nicht angemessene Gesetze haben und diese durchgesetzt werden –, und wieder: von wem? Das ist das strategische, das Langzeitproblem der russischen Opposition, die sich nach ihrer fast kompletten Vernichtung und Vertreibung neu aufstellen muss.«
Während innerhalb Russlands das Verbot kritischer Medien und die Gleichschaltung der verstaatlichten Sender eine beinahe karikaturhafte Erzählung über traditionelle Werte und die Notwendigkeit der »Militärischen Spezialoperation« hervorbringen, arbeiten sorgfältig geplante Propagandaaktionen im Rest der Welt an der Destabilisierung demokratischer Gesellschaften. Ein planmäßiger Wahnsinn überzieht das Land. Er zeigt sich in inflationär gebrauchten Euphemismen und Hassrede, als Denunziation und in einem bis ins Subtilste durchdachten Strafregime. Und es ist ein Wahnsinn mit Geschichte. Denn die Gewalt, die die russische Gesellschaft unerbittlich im Griff hat, ist eine Fortführung der paranoiden Suche nach Feinden, der nächtlichen Verhaftungen, Durchsuchungen und Folterungen sowie der Gulags aus dem Sowjetregime – in grellem, in neuem, im digitalen Gewand und verschmolzen mit dem Gangstertum der Neunzigerjahre.