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Just Loomis

LUCKY SEVEN


Los Angeles Urban Singularities

Es gibt ein Merkmal, das diese Bilder neben ihrer ästhetischen Strenge und Geschlossenheit vereint: die darstellende Geste. Es ist die Geste dessen, das wir auch im Deutschen nicht anders nennen als Performen. Sie läßt die Porträtierten wie Schauspieler in einem Straßentheater aussehen. Nicht eindeutig auszumachen, ob diese Leute Obdachlose sind oder Schauspieler, am Set fotografiert, ob sie professionelle Alltagsdarsteller sind oder Aliens einer monochromen Dystopie, ob sie die Hölle schon hinter sich haben und das Paradies vor sich.

 

Die Ambiguität der Darstellung macht sie zu „urbanen Singularitäten“, die in Los Angeles anders agieren, anders aussehen als in Moskau, Paris, Peking, Berlin oder sonstwo.

 

Der Moment, an dem sich Performance noch von Sein unterscheidet, gerinnt in den Momenten, die Loomis auswählt, zu eben der Geste, die die mit Licht und Schatten beschriebenen Gestalten zur sozialen Gruppe oder Schicht formt.

Es ist die Schicht, die Marx als „ruinierte Bourgeois und ruinierte Proletarier“, die Rosa Luxemburg als „sozialen Müll“ klassifiziert, die als Lumpenproletariat auf der untersten Stufe der bürgerlichen Gesellschaft steht, oder besser sitzt, und zur revolutionären Bewegung nicht gehören kann. Daß die Energie der kapitalistischen Gesellschaft, also unserer, auf die Ausgrenzung und auf das Vergessen der Ausgegrenzten zielt, und wir gegen dieses Vergessen arbeiten müssen, sagt Heiner Müller. Die Arbeit von Just Loomis ist eine Vorarbeit in diesem Sinn.

 

Just Loomis porträtiert großstädtische Personnage am Rand der Gesellschaft. Sein Arbeitsfeld sind die Randgebiete eines sogenannten bürgerlichen Alltags in Downtown Los Angeles, sind die Ränder von Santa Monica und Venice Beach, die zugleich Ränder des Pazifik sind. Loomis‘ Porträtserie ist Auftakt eines partnerschaftlichen Projekts, für das er demnächst auch Berlins Bewohnerinnen und Bewohner porträtiert.

Just Loomis

 

geboren 1957 in Reno, Nevada. Lebt und arbeitet als Fotograf in Los Angeles. Er war lange Jahre Assistent von Helmut Newton. 1983-1998 zahlreiche Reportagen für Harper’s Bazaar und das New York Times Magazine. Danach hauptsächlich Porträt- und Dokumentarfotografie. Daraus entstand seine für den Deutschen Fotobuchpreis nominierte Monografie „As We Are“, Hatje Cantz 2000. Zuletzt „Backstage“, Hatje Cantz 2018. Er fotografierte 2016/17 die letzten Inszenierungen an der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Patz. Er pendelt regelmäßig zwischen Los Angeles und Berlin. 2019 waren seine „Backstage images“ in der Helmut-Newton-Stiftung Berlin im Rahmen der Newton-Gedenk-Ausstellung „Three Boys From Pasadena“ zu sehen.
www.justloomis.com

Lucky Seven


(Urban Singularities or The Nature Theater of Los Angeles)

 

There is one characteristic that unites these images, in addition to their aesthetic rigor and coherence: the performing gesture. It is the gesture what we call also in German no else than performing. It makes the portrayed people look like actors in a street theatre. It is not clear whether these people are homeless or actors, photographed on the set, whether they are professional actors of everyday life or aliens of a monochrome dystopia, whether they have already been through hell and having paradise ahead … The ambivalence of the performance makes them „urban singularities“ that act differently in Los Angeles, look different than in Moscow, Paris, Beijing, Berlin or elsewhere. The moment where performing differs from being, congeals in the moments captured by Just Loomis into the very gesture that forms the figures described with light and shadow into a group or underclass. It is the layer that Marx classifies as “ruined bourgeois and ruined proletarians”, that Rosa Luxemburg classifies as “social rubbish”, that as a Lumpenproletariat stands, or rather sits, at the lowest level of the bourgeois society and cannot belong to the revolutionary movement. That the energy of capitalist society – that is, of ours – is aimed at exclusion and forgetting of the excluded, and that we must work against this forgetting, says Heiner Müller. The work of Just Loomis is a preliminary work in this sense.