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Ein Paradies von einer Stadt

Thomas Martin

Berlin von außen gesehen, was ist das? Die Hauptstadt Europas? Insel des Wohlstands? Das Dorf zwischen Moskau und Paris? Konglomerat aus Dörfern, Kleinstädten, Gemeinden, Rändern und Mitten, die sich jede für das Zentrum halten? Letzteres scheint nicht selten so; beim Umgang mit der Verwaltung zuerst. Und es ist nicht das dauerzubelächelnde Provisorium, das Baustellenwalhall, der coole-Sprüche-Abreißkalender („verflucht, immer zu werden, niemals zu sein“).

Es war und ist eine Bastion. Eine Mauer, die Welten scheidet, immer noch. Die Stadt, die gnadenlos ihre Macken ausspielt, mehr Hölle als himmlisch. Sie ist das Durchgangsquartier der Völkerwanderung im Sog der Globalisierung – die Kriege, die sie ausgelöst haben, gingen von hier aus. Ein Ort mit mehr Vergangenheit als Zukunft? Zumindest scheint die Zukunft etwas planlos. Wo will das hin, dieses Berlin? Das gelobte vielfältige, das bunte, schräge kulturübervolle? Wer wohnt da überhaupt und wie?

Klar, andre Städte fragen sich das auch. Nur standen andere nicht im Auge des Orkans, der zweimal den Globus rasiert hat. Mit Millionen von Toten und Langzeitschäden bis heute. Um so dankbarer sind wir für Friedliches und gesicherte Identität. Wir haben sie; die Mehrheit jedenfalls. Und sie geht auf die Straßen, wenn sich der Schein einer Bedrohung auftut, wie ein Mann.

Nur ein Blick von außen gedacht, von, sagen wir einer Insel, sagen wir Lesbos, und wir sehen die zynische Strahlung der gebräunten Bäuche und der tätowierten Waden, der in fashy Trends gehüllten Schultern, der frisierten Schädel, die das stolze Wort FREIHEIT vorm Reichstag brüllen in Schwarzweißrot und allen Farben hintendran. Zynisch auch aus der Sicht der Demonstranten in Minsk. Oder derer, die in Syrien oder sonstwo gerade keine Gelegenheit zum Aufmarsch haben.

Was haben wir sonst? Das historische Berlin. Das Berlin der Flaneure. Das Berlin von Benjamin, Robert Walser und Franz Hessel. Futsch. Berlin, das friedliche Berlin. Ein Ferienlager ist es nie gewesen. Benjamin erfand die Kunst des sich-einer-Stadt-wie-in-einem-Wald-Verirrens. Man muß das Spurenlesen lernen, Spuren deuten können, um die Natur der Stadt zu begreifen. Jeder, der sich als Kind das erstemal verlief, bekommt eine Ahnung davon.

Der praktikable Blick des Kindes auf die Gegenwart wird in der Erinnerung von Wehmut verstellt. Von den Rändern der Kindheit blickt man auf sie nicht zurück, sondern in sie hinein: die Stadt vom Rand aus betrachtet, gibt den Blick auf die Erscheinung frei. Kein Dschungel, eher ein Forst über den Ablagerungen der Urbanität, die der Stadt ihren Ruhm eingebracht haben.

Paris ist ein Bibliotheksaal, der von der Seine durchströmt wird. Moskau ist das Labyrinth, in dem der Minotaurus über der Moskwa thront. Berlin ist ein Saustall, den die liebliche Spree nicht auswaschen wird. „Berlin ist das Letzte. Der Rest ist Vorgeschichte. Sollte Geschichte stattfinden, wird Berlin der Anfang sein.“ Auch so ein Spruch, von Heiner Müller, lange her.

Was auch immer es ist – wir untersuchen es in unserem Modellberlin. Es steht auf der Brache am Potsdamer Platz, an einem Ort zwischen Himmel und Hölle. Dem letzten dort existierenden Rest des Vorkriegs, der Kirche, die den Namen von Matthäus trägt. Der schrieb, „suchet, so werdet ihr finden; klopfet an, so wird euch aufgetan.“ Willkommen: www.modellberlin.com