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Tag 3

Walter Benjamin schrieb in seiner „Einbahnstraße“: „Wer liebt, der hängt nicht nur an „Fehlern“ der Geliebten, nicht nur an Ticks und Schwächen einer Frau, ihn binden Runzeln im Gesicht und Leberflecken, vernutzte Kleider und schiefer Gang viel dauernder und unerbittlicher als alle Schönheit. Man hat das längst erfahren. Und warum? Wenn eine Leere wahr ist, welche sagt, daß die Empfindung nicht im Kopfe nistet, daß wir ein Fenster, eine Wolke, einen Baum nicht im Gehirn, vielmehr an jedem Ort, wo wir sie sehen, empfinden, so sind wir im Blick auf die Geliebte außer uns. Hier aber qualvoll angespannt und hingerissen. Geblendet flattert die Empfindung wie ein Schwarm von Vögeln in dem Glanz der Frau. Und wie Vögel Schutz in den laubigen Verstecken des Baumes suchen, so flüchten die Empfindungen in die schattigen Runzeln, die anmutlosen Gesten und unscheinbaren Makel des geliebten Leibs, wo sie gesichert im Versteck sich ducken. Und kein Vorübergehender errät, daß gerade hier, im Mangelhaften, Tadelnswerten die pfeilgeschwinde Liebesregung des Verehrers nistet“.

 

So liebt man die Stadt nicht nur für die schönen Frontfassaden, doch für das Mauerwerk, das durch den Putz hindurchscheint, für den rissigen Asphalt der Innenhöfe, für die angeschlagene Stufe …

 

Unter meinen Fenstern haben Mosaike aus Krakeelen im Asphalt einen märchenhaften Vogel in den Hof gezaubert. Jeden Tag seh ich ihn mir an. Nur im Regen kann ich ihn nicht sehen, und es ist ein bisschen traurig ohne ihn.

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