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Kongress Kindheit

In Kooperation mit dem Walter Benjamin Archiv der Akademie der Künste

Leitung Karola Marsch

 

Ausgehend von Walter Benjamins „Berliner Kindheit um neunzehnhundert“ untersuchen wir Kindheit in der Metropole Berlin. Benjamins essayistische Betrachtung vollzieht sich im Rückgriff als Erwachsener auf diese Zeit als Kind. Minutiös, versunken, sich erinnernd, im Moment verweilend, flaniert er gedanklich als Kind durch die Stadt, Passagen, Sommergärten, durch die dunklen Flure der Wohnung und die geheimen Ecken seines Zimmers, blickt für uns vom Krankenbett in den Hof und baut vor unseren Augen seine Welt aus Sammelkästen, Verstecken, Büchern auf. Es ist der Versuch, sich als Erwachsener in die Perspektive des Kindes zu begeben, die Fäden der Abläufe noch einmal zusammenziehen, noch einmal die Welt mit den Augen des Kindes zu sehen und ins Funktionsgetriebe der Welt zu schauen.

Benjamin erschafft eine Dekonstruktion, eine Analyse des Vorgefundenen, um sie sich zu erschließen und in diesem Prozess ihr Teil zu werden. Die Welt, die Stadt, das Leben liegen ausgebreitet vor dem, der das Kind war, sie wollen entdeckt, erforscht, sich genommen und gestaltet werden. Diese Betrachtung der Kindheit als Methode und Praxis von Weltaneignung ist die Referenz für Kongress Kindheit.

Was passiert Kindern in der Kindheit? Kongress Kindheit betrachtet diesen Prozess des Heranwachsens, Ausprobierens, zum-ersten-Mal-Machens aus zwei Perspektiven und bringt die unterschiedlichen Expertisen in einen künstlerischen Austausch: aus einer Perspektive der Kinder und einer der Erwachsenen.

In Kongress Kindheit untersuchen Kinder im Alter von 9 bis 12 Jahren und Künstler*innen jeden Alters parallel und doch in eigenständigen Projektteilen, die sich im Fortgang miteinander verschränken, das Thema Kindheit. Die einen als Expert*innen ihrer Gegenwart, die anderen als Expert*innen der Vergangenheit. Die einen als Expedienten ins Leben, die anderen als Spurensicherer von Gelebtem.

6 Momente von Kindheit, 6 Künstlerinnen und Künstler, 42 Kinder

Die Kinder

Kongress Kindheit beginnt mit der künstlerischen Forschung von Kindern. In einem „Kindheitslabor“ untersuchen sechs Kindergruppen von 6 – 8 Kindern im Alter von 9 – 12 Jahren in den Osterferien 2023 Kindheit in der Großstadt. Begleitet werden sie dabei von Dramaturg*innen und Kunstvermittler*innen. Als echte Expert*innen von Kindheit schauen die Kinder auf verschiedene Aspekte: Wie spielen wir, wie wohnen wir, wie sprechen wir, wie feiern wir, in welchen Familien leben wir, was sammeln wir, was lieben wir, wovor haben wir Angst, wie werden wir beteiligt, was ist uns gemeinsam, was unterscheidet uns, was ist uns fremd, wie verhalten sich Erwachsene zu uns, was dürfen wir, was sollen wir, was wollen wir?

Sie treffen Expert*innen verschiedener Disziplinen, unternehmen Streifzüge und Recherchen durch die Stadt, häufen eine Flut von Material an. In einem Sortierprozess erarbeiten sie sich unterschiedliche Bausteine, die Kindheit für sie beschreiben. Aus all dem entstehen sechs künstlerische Aufträge von Kindern an sechs Künstler*innen. Diese Aufträge formulieren, mit welchem Blick die Künstler*innen für ihr nun eigenes künstlerisches Schaffen auf die Kindheit schauen sollen. Die Kinder setzen den Künstler*innen eine Brille auf, mit der sie in ihre eigene Auseinandersetzung gehen. Die Kinder beschreiben die Aufträge in einem Brief.

Künstlerinnen und Künstler

Bevor die sechs von uns ausgewählten und mit dem Thema vertrauten Künstler*innen die Aufträge von den Kindern erhalten, und sich so eine künstlerische Patenschaft zwischen den Generationen zu entspinnen beginnt, kommen die Künstler*innen zu einem eigenen Kongress Kindheit zusammen. Dieser beginnt in den letzten Tagen des Ferienlabors. Kinder und Künstler*innen lernen sich kennen, beschäftigen sich mit Benjamins Texten, holen sich Input aus den verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen – sie tauchen ein in den Kosmos von Kindheit und Kindsein. Nach diesen Input-Tagen mit dem Abschluss der Auftragsbriefe durch die Kinder, beginnt ihre eigene künstlerische Arbeit.

Im Juni/Juli 2023 zeigen sie ihre Arbeiten an einem verlängerten Wochenende. Sie treffen ihre Patenschaftskinder wieder. Sie sind ihr erstes Publikum. Kinder und Künstler*innen kommen zusammen und tauschen sich über da Entstandene aus. Die Kinder probieren aus, was die entstandenen Kunstwerke können, wie sie zu ihnen sprechen, was sie auslösen, mit ihnen machen. Die Künstler*innen bekommen das Angebot, die Spiegelungen der Kinder auf- und mitzunehmen mit und daran weiterzuarbeiten.

Die Beteiligten kommen aus den verschiedenen Genres der Künste, aus der Literatur, aus der Bildenden Kunst, aus der Performance, aus der Videokunst etc. Wir suchen diejenigen, die Interesse an diesem Format, der Idee und vor allem am Dialog und der Auseinandersetzung mit den Kindern haben.

Wir haben den Wunsch, mit Künstler*innen der Akademie aus den verschiedenen Sparten zusammenzuarbeiten und während der Dauer des Projekts mit den Sektionen im Austausch zu sein. Für die Auseinandersetzung mit Benjamins Kindheitstext während der Input-Tage der Künstler*innen wünschen wir uns eine (noch zu konkretisierende) Zusammenarbeit mit dem Walter Benjamin Archiv.

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